SONDERTEIL: STARK IM WIND:
„Wir brauchen jede verfügbare Fläche für Offshore“
Einzelne alte Windparks werden wohl endgültig rückgebaut, deutet der Präsident des Bundesamts für Seeschifffahrt an. Insgesamt stellt sich Helge Heegewaldt hinter die Ausbauziele.
Die Festlegung der Flächen für den gesetzlichen Ausbau der Offshore-Windenergie stehen im Zentrum des Flächenentwicklungsplan(FEP)-Entwurfs
für die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), den das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) im Juni veröffentlicht
hat. Der Planungshorizont reicht nun bis 2037 statt 2030 und für das Zieljahr werden Flächen, Inbetriebnahmejahre, Ausschreibungsjahre
und Netzanschlüsse für insgesamt etwa 60.000 MW ausgewiesen. Derzeit sind 8.900 MW in Betrieb. Das gesetzliche Ziel für 2035 lautet 40.000 MW. Die neue Flächenfestlegung des BSH für jenes Jahr beläuft sich demgegenüber auf 50.000 MW.
Das BSH betritt mehrfach rechtliches Neuland: So sind 36.000 der 60.000 MW sowie Netzinfrastrukturgebiete für 2037 erstmals EU-„Beschleunigungsflächen“. Das bedeutet, dass die Genehmigung nur noch zwei Jahre dauern darf und die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vom einzelnen Windpark auf die Raumordnung verlagert wird. Das BSH wählte für das beschleunigte Verfahren nach eigenem Bekunden Flächen aus, von denen „voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind“. EU-rechtliche Grundlage ist zwar die Erneuerbaren-Richtlinie RED III, der Bundestag berät die Umsetzung bei Windkraft auf See in nationales Recht aber erst nach der Sommerpause.
Zudem schafft der FEP-Entwurf erste Grundlagen für ein vermaschtes Offshore-Stromnetz mit den Nachbarländern und weist Kabeltrassen aus.
Für das gesetzliche Endziel von 70.000 MW 2045 hat das BSH weitere „Potenzialflächen“ festgelegt auf Kosten einer schwach genutzten Schifffahrtsroute zwischen Holland und Dänemark.
Der FEP hat viele Aspekte. E&M befragte BSH-Präsident Helge Heegewaldt an seinem Amtssitz in Hamburg zum verzögerten Netzanschluss, zur Nutzungskonkurrenz mit der Marine, zum ersten endgültigen Rückbau von Windparks, zu Repowering und zur Zusammenlegung alter Flächen.
Heegewaldt: Der Ausbau der Offshore-Energie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wir sind die Planungs- und Genehmigungsbehörde, wir stellen die Flächen zur Verfügung, wir bereiten die Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone vor ...
E&M: ... also zwischen 12 und 200 Seemeilen von der Küste entfernt.
Heegewaldt: Genau. Bis 2045 wollen wir in Nord- und Ostsee auf 70 Gigawatt kommen. Aktuell sind wir bei 8,5. Wir sind da in engem Austausch mit den einzelnen Unternehmen, mit den Übertragungsnetzbetreibern, mit der Bundesnetzagentur, um diese Herausforderung zu schaffen. Der Bau muss dann aber auch von den Unternehmen kommen!
„Wir müssen in den engen Austausch treten, um Hürden zu überwinden“
E&M: Was machen Sie, wenn Unternehmen Deadlines reißen? Seit Januar kommt scheibchenweise, auch durch einen von Ihrem Haus veröffentlichten Brief, heraus, dass 2030 voraussichtlich 4.000 Megawatt Anschlussleistung fehlen, um überhaupt das erste gesetzliche Zwischenziel von 30.000 Megawatt 2030 zu erreichen.
Heegewaldt: Wir sprechen darüber mit den Übertragungsnetzbetreibern. Aber bis 2030 ist ja auch noch etwas hin. Wir haben schon einen engen Plan, wir wollen aber auch den Erfolg. Ich spreche von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, nicht von einer Aufgabe einzelner Unternehmen. Es geht darum, dass genügend Kabel produziert werden, dass über 30 Konverter zur Verfügung stehen. Es wird im Moment zwischen den Ministerien diskutiert, um auch hier in Deutschland Kapazitäten zu schaffen. Das Kanzleramt ist eingeschaltet. Wir müssen da in den engen Austausch treten, damit wir diese Hürden überwinden.
E&M: Es gab bereits ein Monitoring der Realisierungsvereinbarung mit den Übertragungsnetzbetreibern und anderen vom November 2022. Und erst seit Januar 2024 wird öffentlich, dass es Verspätungen von bis zu zweieinviertel Jahren gibt. Das Monitoring ist also schon mal gescheitert.
Heegewaldt: Der Netzbetreiber Amprion hatte vor zwei Jahren gedacht, es funktioniere, und stellte dann fest: Andere ÜNB (Übertragungsnetzbetreiber; d. Red.) brauchen auch Konverter. Wir tun alles und sind guter Dinge, dass diese 30 Gigawatt auch kommen.
In Ostende haben die Anrainerstaaten der Nordsee angekündigt, bis 2045 bis zu 300 Gigawatt in der Nordsee zu verbauen. Wir sind nicht allein mit unseren 70 Gigawatt. Das allein verschärft schon die Kapazitätsprobleme. Seit dem russischen Angriffskrieg sind Fragen dazugekommen: Wer kümmert sich um den Schutz der Infrastruktur? Wir schauen uns regelmäßig mit dem Wirtschaftsministerium, mit dem Raumordnungsministerium (dem Bundesbauministerium; d. Red.) den aktuellen Stand der Pläne an und wenn es an einer Stelle hakt, kann man schnell nach den Verbesserungspotenzialen schauen. Der enge Austausch ist das Gute in der Zusammenarbeit mit den Ministerien, aber auch mit den Übertragungsnetzbetreibern.
„In 21 Jahren sieht die Nordsee anders aus“
E&M: Seit Juni ist der Flächenentwicklungsplan (FEP) für den Großteil der deutschen See im Entwurf da, der den Vorentwurf vom September 2023 ersetzt.
Heegewaldt: Der Flächenentwicklungsplan soll die Gebiete bis zum Ausbau der 70 Gigawatt bis 2045 darstellen. Es sollen Flächen bebaut werden bis in den Entenschnabel ...
E&M: ... die schmale westlichste Seefläche Deutschlands.
Heegewaldt: Schon bei der Abstimmung des Vorentwurfs haben wir die Kapazitätsfrage intensiv diskutiert. Das ist ein großer Prozess, in dem immer wieder neue und alte Themen aufkommen − ob Wasserstoff, CCS (CO2-Tiefenspeicherung; d. Red.), Mehrfachnutzung ...
Wir haben jetzt auch verstärkt den Bedarf der Marine im Blick. Die Erwartungen sind hoch, dass wir den Flächenentwicklungsplan bis zum Ende des Jahres finalisieren. In 21 Jahren wird die Nordsee anders aussehen. Natürlich sind wir als Behörde flexibel und können bei künftigen Ereignissen an der einen oder anderen Schraube drehen. Wichtig ist jetzt aber die Planungssicherheit für Unternehmen, die investieren und um die Flächen bieten wollen.
„Den Ausgleich mit der Verteidigung haben wir ganz gut gelöst“
E&M: Der heutige Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) wehrte sich früher mit Händen und Füßen gegen eine Co-Nutzung von Windkraftanlagen durch die Bundeswehr.
Heegewaldt: Es gibt im Flächenentwicklungsplanentwurf die Vorschrift, dass bestimmte Installationen der Bundeswehr in Windparks gebaut werden können, solange sie nicht wesentlich die Erzeugung von Energie behindern. Darüber hinaus gibt es die Vorgabe, dass Schiffe der Bundeswehr durch die Windparks fahren dürfen, ohne dass sie an die Sicherheitszone gebunden sind. Das war nach dem Konsultationsergebnis ein gangbarer Kompromiss. Niemand ist begeistert, wenn er anderen Rechte einräumen muss, auf die eigene Anlage zu gehen, aber es war auch nicht so schlimm für die Windparkbetreiber, dass sie sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hätten.
Den Ausgleich zwischen Windenergie und Verteidigung haben wir ganz gut gelöst. Die Bundeswehr war in den Zehnerjahren in Vorleistung gegangen und hat Übungsgebiete für die Windenergie freigegeben. Irgendwann ist die Grenze erreicht, gerade vor dem Hintergrund der neuen Sicherheitslage.
„Eine Nachnutzung für ‚Butendiek‘ würden wir skeptisch sehen“
E&M: Im FEP-Entwurf heißt es, die bestehenden alten Windparks im Sylt-Cluster N-5, ‚Butendiek‘ und ‚Dan Tysk‘, würden ‚nach Ablauf der Genehmigungsdauer nicht als Fläche für die Nachnutzung (als Windpark) festgelegt‘, wegen des Schweinswals und des Seetauchers. Erleben wir auf See auch einen endgültigen Rückbau?
Heegewaldt: Tatsächlich geht es beim Gebiet N-5, in dem diese Windparkflächen liegen, und bei N-4 ...
E&M: ... im Helgoland-Cluster ...
Heegewaldt: ... um Bedenken aufgrund von − tatsächlich von uns nicht erwarteter − erhöhter Scheuchwirkung auf den Seetaucher in einem seiner Hauptkonzentrationsgebiete. Im Moment rechnet keiner damit, dass ‚Butendiek‘ nach Ende der Betriebsdauer weiterbetrieben wird.
E&M: Dann wäre 2039 Schluss, oder? In N-4 müssten dann von 2039 bis 2040 ‚Meerwind‘ und von RWE ‚Amrumbank West‘ und ‚Nordsee Ost‘ dran glauben.
Heegewaldt: Ja, aber dort im Sinne eines Repowerings, das auch später kommen kann. Das Gebiet N-4 wird von uns im bisherigen Zuschnitt für eine Nachnutzung konsultiert, das Gebiet N-5 auch, aber ohne die Flächen ‚Butendiek‘ und ‚Dan Tysk‘. Wir gehen trotzdem von einer Erhöhung der installierten Leistung allein in N-5 auf 4 Gigawatt aus. Laut Windenergie-auf-See-Gesetz sind wir gehalten, große Windkraftflächen für bis zu 2 Gigawatt festzulegen. Wir brauchen jede Fläche, die zur Verfügung steht, für den Offshore-Windenergieausbau, weil sonst die 70 Gigawatt schwer darzustellen wären.
Wir haben Vorschläge gemacht, wie man insgesamt damit umgehen könnte: Bei den Einzelgenehmigungen sollen etwa schallarme Gründungsmethoden bevorzugt zur Anwendung kommen, das Schallschutzkonzept des Bundesumweltministeriums ist strikt anzuwenden, im Hauptkonzentrationsgebiet der Seetaucher sollen Serviceschiffe ‚in sensiblen Zeiträumen‘ möglichst selten, auf kürzestem Weg und mit geringerer Geschwindigkeit verkehren.
E&M: Und Repowering?
Heegewaldt: Man muss unterscheiden zwischen Repowering der bestehenden Anlagen während der Genehmigungsdauer und einer Nachnutzung der Fläche nach Ende der Genehmigung. Eine Nachnutzung für ‚Butendiek‘ würden wir, wie gesagt, eher skeptisch sehen. Die östliche Deutsche Bucht insgesamt ist aber unverzichtbar für die Energiewende. Da muss man sehen, wie man die Nachnutzung der älteren Windparks abstimmt auf das mögliche Ziel, kleinere zu großen Parks zusammenzufassen. Das ist ein Zielkonflikt. Langfristig wollen wir größere Flächen, weil die effizienter zu bewirtschaften sind. Das wird uns auch in den nächsten Flächenentwicklungsplänen noch beschäftigen.
E&M: Was dürfen Sie da festlegen und was nicht?
Heegewaldt: Die Frage ist, ob man das, was man festlegen darf, bis zum Ende ausnutzt oder ob man nicht lieber im Konsens mit den Betreibern zu einer vernünftigen Lösung kommt. Der Entwurf ist nicht in Stein gemeißelt. Ist der Flächenentwicklungsplan in Kraft getreten, muss er auch ständig fortgeschrieben und an neue Informationen, insbesondere naturschutzfachliche, angepasst werden.
E&M: Erste ältere Windparks fallen aus der Förderung. Es gibt auch Verkaufsgerüchte. Altflächen könnten ein Vielfaches des Windstroms produzieren, wenn moderne Anlagen auf ihnen stünden.
Heegewaldt: Das hat mehrere Aspekte. Die Betreiber, die aus der Förderung gefallen sind, hatten sich für das Stauchungsmodell entschieden.
E&M: Also halbe Förderzeit für die doppelte Förderung pro Kilowattstunde.
Heegewaldt: Die wesentlichen kommerziellen Windparks − das hat ja erst 2014 angefangen − sind, wenn man Onshore-Standards anlegen würde, supermodern. Dass es offshore eine hohe Lernkurve gegeben hat, ist auch nur zu begrüßen. Innerhalb des Systems steht es dem Anlagenbetreiber frei, jede zweite Anlage zu ersetzen, um sie wirtschaftlich weiterzubetreiben, solange das bautechnisch geht. Die Frage ist: Kann man dann tatsächlich die Leistungsdichte pro Quadratkilometer erhöhen? Selbst wenn man das könnte, wäre es schwierig, weil nur eine begrenzte Netzanbindung zur Verfügung steht. Die Abstimmung der Erzeugungsleistung mit der Abführungskapazität macht den Flächenentwicklungsplan ja auch notwendig.
Das BSH betritt mehrfach rechtliches Neuland: So sind 36.000 der 60.000 MW sowie Netzinfrastrukturgebiete für 2037 erstmals EU-„Beschleunigungsflächen“. Das bedeutet, dass die Genehmigung nur noch zwei Jahre dauern darf und die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vom einzelnen Windpark auf die Raumordnung verlagert wird. Das BSH wählte für das beschleunigte Verfahren nach eigenem Bekunden Flächen aus, von denen „voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind“. EU-rechtliche Grundlage ist zwar die Erneuerbaren-Richtlinie RED III, der Bundestag berät die Umsetzung bei Windkraft auf See in nationales Recht aber erst nach der Sommerpause.
Zudem schafft der FEP-Entwurf erste Grundlagen für ein vermaschtes Offshore-Stromnetz mit den Nachbarländern und weist Kabeltrassen aus.
Für das gesetzliche Endziel von 70.000 MW 2045 hat das BSH weitere „Potenzialflächen“ festgelegt auf Kosten einer schwach genutzten Schifffahrtsroute zwischen Holland und Dänemark.
Der FEP hat viele Aspekte. E&M befragte BSH-Präsident Helge Heegewaldt an seinem Amtssitz in Hamburg zum verzögerten Netzanschluss, zur Nutzungskonkurrenz mit der Marine, zum ersten endgültigen Rückbau von Windparks, zu Repowering und zur Zusammenlegung alter Flächen.
E&M: Herr Heegewaldt, welche Bedeutung hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) für die Offshore-Windkraft?
Heegewaldt: Der Ausbau der Offshore-Energie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wir sind die Planungs- und Genehmigungsbehörde, wir stellen die Flächen zur Verfügung, wir bereiten die Raumordnung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone vor ...
E&M: ... also zwischen 12 und 200 Seemeilen von der Küste entfernt.
Heegewaldt: Genau. Bis 2045 wollen wir in Nord- und Ostsee auf 70 Gigawatt kommen. Aktuell sind wir bei 8,5. Wir sind da in engem Austausch mit den einzelnen Unternehmen, mit den Übertragungsnetzbetreibern, mit der Bundesnetzagentur, um diese Herausforderung zu schaffen. Der Bau muss dann aber auch von den Unternehmen kommen!
„Wir müssen in den engen Austausch treten, um Hürden zu überwinden“
E&M: Was machen Sie, wenn Unternehmen Deadlines reißen? Seit Januar kommt scheibchenweise, auch durch einen von Ihrem Haus veröffentlichten Brief, heraus, dass 2030 voraussichtlich 4.000 Megawatt Anschlussleistung fehlen, um überhaupt das erste gesetzliche Zwischenziel von 30.000 Megawatt 2030 zu erreichen.
Heegewaldt: Wir sprechen darüber mit den Übertragungsnetzbetreibern. Aber bis 2030 ist ja auch noch etwas hin. Wir haben schon einen engen Plan, wir wollen aber auch den Erfolg. Ich spreche von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, nicht von einer Aufgabe einzelner Unternehmen. Es geht darum, dass genügend Kabel produziert werden, dass über 30 Konverter zur Verfügung stehen. Es wird im Moment zwischen den Ministerien diskutiert, um auch hier in Deutschland Kapazitäten zu schaffen. Das Kanzleramt ist eingeschaltet. Wir müssen da in den engen Austausch treten, damit wir diese Hürden überwinden.
E&M: Es gab bereits ein Monitoring der Realisierungsvereinbarung mit den Übertragungsnetzbetreibern und anderen vom November 2022. Und erst seit Januar 2024 wird öffentlich, dass es Verspätungen von bis zu zweieinviertel Jahren gibt. Das Monitoring ist also schon mal gescheitert.
Heegewaldt: Der Netzbetreiber Amprion hatte vor zwei Jahren gedacht, es funktioniere, und stellte dann fest: Andere ÜNB (Übertragungsnetzbetreiber; d. Red.) brauchen auch Konverter. Wir tun alles und sind guter Dinge, dass diese 30 Gigawatt auch kommen.
In Ostende haben die Anrainerstaaten der Nordsee angekündigt, bis 2045 bis zu 300 Gigawatt in der Nordsee zu verbauen. Wir sind nicht allein mit unseren 70 Gigawatt. Das allein verschärft schon die Kapazitätsprobleme. Seit dem russischen Angriffskrieg sind Fragen dazugekommen: Wer kümmert sich um den Schutz der Infrastruktur? Wir schauen uns regelmäßig mit dem Wirtschaftsministerium, mit dem Raumordnungsministerium (dem Bundesbauministerium; d. Red.) den aktuellen Stand der Pläne an und wenn es an einer Stelle hakt, kann man schnell nach den Verbesserungspotenzialen schauen. Der enge Austausch ist das Gute in der Zusammenarbeit mit den Ministerien, aber auch mit den Übertragungsnetzbetreibern.
„In 21 Jahren sieht die Nordsee anders aus“
E&M: Seit Juni ist der Flächenentwicklungsplan (FEP) für den Großteil der deutschen See im Entwurf da, der den Vorentwurf vom September 2023 ersetzt.
Heegewaldt: Der Flächenentwicklungsplan soll die Gebiete bis zum Ausbau der 70 Gigawatt bis 2045 darstellen. Es sollen Flächen bebaut werden bis in den Entenschnabel ...
E&M: ... die schmale westlichste Seefläche Deutschlands.
Heegewaldt: Schon bei der Abstimmung des Vorentwurfs haben wir die Kapazitätsfrage intensiv diskutiert. Das ist ein großer Prozess, in dem immer wieder neue und alte Themen aufkommen − ob Wasserstoff, CCS (CO2-Tiefenspeicherung; d. Red.), Mehrfachnutzung ...
Wir haben jetzt auch verstärkt den Bedarf der Marine im Blick. Die Erwartungen sind hoch, dass wir den Flächenentwicklungsplan bis zum Ende des Jahres finalisieren. In 21 Jahren wird die Nordsee anders aussehen. Natürlich sind wir als Behörde flexibel und können bei künftigen Ereignissen an der einen oder anderen Schraube drehen. Wichtig ist jetzt aber die Planungssicherheit für Unternehmen, die investieren und um die Flächen bieten wollen.
„Den Ausgleich mit der Verteidigung haben wir ganz gut gelöst“
E&M: Der heutige Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) wehrte sich früher mit Händen und Füßen gegen eine Co-Nutzung von Windkraftanlagen durch die Bundeswehr.
Heegewaldt: Es gibt im Flächenentwicklungsplanentwurf die Vorschrift, dass bestimmte Installationen der Bundeswehr in Windparks gebaut werden können, solange sie nicht wesentlich die Erzeugung von Energie behindern. Darüber hinaus gibt es die Vorgabe, dass Schiffe der Bundeswehr durch die Windparks fahren dürfen, ohne dass sie an die Sicherheitszone gebunden sind. Das war nach dem Konsultationsergebnis ein gangbarer Kompromiss. Niemand ist begeistert, wenn er anderen Rechte einräumen muss, auf die eigene Anlage zu gehen, aber es war auch nicht so schlimm für die Windparkbetreiber, dass sie sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hätten.
Den Ausgleich zwischen Windenergie und Verteidigung haben wir ganz gut gelöst. Die Bundeswehr war in den Zehnerjahren in Vorleistung gegangen und hat Übungsgebiete für die Windenergie freigegeben. Irgendwann ist die Grenze erreicht, gerade vor dem Hintergrund der neuen Sicherheitslage.
„Eine Nachnutzung für ‚Butendiek‘ würden wir skeptisch sehen“
E&M: Im FEP-Entwurf heißt es, die bestehenden alten Windparks im Sylt-Cluster N-5, ‚Butendiek‘ und ‚Dan Tysk‘, würden ‚nach Ablauf der Genehmigungsdauer nicht als Fläche für die Nachnutzung (als Windpark) festgelegt‘, wegen des Schweinswals und des Seetauchers. Erleben wir auf See auch einen endgültigen Rückbau?
Heegewaldt: Tatsächlich geht es beim Gebiet N-5, in dem diese Windparkflächen liegen, und bei N-4 ...
E&M: ... im Helgoland-Cluster ...
Heegewaldt: ... um Bedenken aufgrund von − tatsächlich von uns nicht erwarteter − erhöhter Scheuchwirkung auf den Seetaucher in einem seiner Hauptkonzentrationsgebiete. Im Moment rechnet keiner damit, dass ‚Butendiek‘ nach Ende der Betriebsdauer weiterbetrieben wird.
E&M: Dann wäre 2039 Schluss, oder? In N-4 müssten dann von 2039 bis 2040 ‚Meerwind‘ und von RWE ‚Amrumbank West‘ und ‚Nordsee Ost‘ dran glauben.
Heegewaldt: Ja, aber dort im Sinne eines Repowerings, das auch später kommen kann. Das Gebiet N-4 wird von uns im bisherigen Zuschnitt für eine Nachnutzung konsultiert, das Gebiet N-5 auch, aber ohne die Flächen ‚Butendiek‘ und ‚Dan Tysk‘. Wir gehen trotzdem von einer Erhöhung der installierten Leistung allein in N-5 auf 4 Gigawatt aus. Laut Windenergie-auf-See-Gesetz sind wir gehalten, große Windkraftflächen für bis zu 2 Gigawatt festzulegen. Wir brauchen jede Fläche, die zur Verfügung steht, für den Offshore-Windenergieausbau, weil sonst die 70 Gigawatt schwer darzustellen wären.
Wir haben Vorschläge gemacht, wie man insgesamt damit umgehen könnte: Bei den Einzelgenehmigungen sollen etwa schallarme Gründungsmethoden bevorzugt zur Anwendung kommen, das Schallschutzkonzept des Bundesumweltministeriums ist strikt anzuwenden, im Hauptkonzentrationsgebiet der Seetaucher sollen Serviceschiffe ‚in sensiblen Zeiträumen‘ möglichst selten, auf kürzestem Weg und mit geringerer Geschwindigkeit verkehren.
E&M: Und Repowering?
Heegewaldt: Man muss unterscheiden zwischen Repowering der bestehenden Anlagen während der Genehmigungsdauer und einer Nachnutzung der Fläche nach Ende der Genehmigung. Eine Nachnutzung für ‚Butendiek‘ würden wir, wie gesagt, eher skeptisch sehen. Die östliche Deutsche Bucht insgesamt ist aber unverzichtbar für die Energiewende. Da muss man sehen, wie man die Nachnutzung der älteren Windparks abstimmt auf das mögliche Ziel, kleinere zu großen Parks zusammenzufassen. Das ist ein Zielkonflikt. Langfristig wollen wir größere Flächen, weil die effizienter zu bewirtschaften sind. Das wird uns auch in den nächsten Flächenentwicklungsplänen noch beschäftigen.
E&M: Was dürfen Sie da festlegen und was nicht?
Heegewaldt: Die Frage ist, ob man das, was man festlegen darf, bis zum Ende ausnutzt oder ob man nicht lieber im Konsens mit den Betreibern zu einer vernünftigen Lösung kommt. Der Entwurf ist nicht in Stein gemeißelt. Ist der Flächenentwicklungsplan in Kraft getreten, muss er auch ständig fortgeschrieben und an neue Informationen, insbesondere naturschutzfachliche, angepasst werden.
E&M: Erste ältere Windparks fallen aus der Förderung. Es gibt auch Verkaufsgerüchte. Altflächen könnten ein Vielfaches des Windstroms produzieren, wenn moderne Anlagen auf ihnen stünden.
Heegewaldt: Das hat mehrere Aspekte. Die Betreiber, die aus der Förderung gefallen sind, hatten sich für das Stauchungsmodell entschieden.
E&M: Also halbe Förderzeit für die doppelte Förderung pro Kilowattstunde.
Heegewaldt: Die wesentlichen kommerziellen Windparks − das hat ja erst 2014 angefangen − sind, wenn man Onshore-Standards anlegen würde, supermodern. Dass es offshore eine hohe Lernkurve gegeben hat, ist auch nur zu begrüßen. Innerhalb des Systems steht es dem Anlagenbetreiber frei, jede zweite Anlage zu ersetzen, um sie wirtschaftlich weiterzubetreiben, solange das bautechnisch geht. Die Frage ist: Kann man dann tatsächlich die Leistungsdichte pro Quadratkilometer erhöhen? Selbst wenn man das könnte, wäre es schwierig, weil nur eine begrenzte Netzanbindung zur Verfügung steht. Die Abstimmung der Erzeugungsleistung mit der Abführungskapazität macht den Flächenentwicklungsplan ja auch notwendig.
Zur Person
Helge Heegewaldt ist seit März 2023 Präsident des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), der maritimen Behörde
Deutschlands mit Sitzen in Hamburg und Rostock. Die Stationen des Berliner Volljuristen umfassten Tätigkeiten in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
im Umweltministerium, wo er im Referat Parlament und Kabinett unter anderem die Energiewende-Gesetzgebung betreute, dann im
Verkehrsministerium, wo er zuletzt vier Jahre das Personalreferat leitete, bevor er zum BSH kam.
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Freitag, 13.09.2024, 08:59 Uhr
Freitag, 13.09.2024, 08:59 Uhr
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